„Blau – das ist für mich mehr als Farbe, das sind Gefühle und Empfindungen. Es ist irgendwie immer da. In Marokko zum Beispiel, dort, wo das Licht so besonders ist, wo die Nuancen, die Schattierungen meiner Lieblingsfarbe so kraftvoll durch das Bunte der Souks scheinen, wo sie den Himmel mit dem Meer verbinden oder ihre magische Kraft entfalten etwa im Jardin Majorelle in Marrakesch.
Blau – das wirkt heilend und beruhigend, aber es kann auch kühl und kalt erscheinen. Für mich ist es vor allem die Farbe der Ruhe, der Träume, die Hinwendung zum eigenen Inneren und die Verbindung mit der Ferne. Es sind diese Reisen, während derer ich mich inspirieren lasse, in den Norden Afrikas, nach Schottland, Taipeh, Italien oder auch Frankreich. Und es ist die Begegnung mit Künstlern aus anderen Welten, die mir so viel gibt. Der intensivste Kulturaustausch war für mich der zwischen marokkanischen und uns deutschen Künstlern. Das Kulturamt von Essaouira, dieser lebendigen Stadt an der Atlantikküste, hatte vier Malerinnen aus Bayern eingeladen gemeinsam mit einheimischen Künstlern auszustellen. Das dortige Museum und die neu renovierte Bastei boten ein gutes Ambiente. Unsere Bilder hingen mittendrin, da war nichts Unstimmiges, stattdessen Ergänzendes, Belebendes. Ich freue mich schon auf einen Gegenbesuch der marokkanischen Künstler.
Blau – das kann so kraftvoll, so grenzenlos leuchtend sein. Wie spannend ist es, Grenzen zu überwinden, sich mit Künstlern aus anderen Kulturen, wie etwa Marokko, auszutauschen. Das ist faszinierend, anregend, das nehme ich mit nach Hause. Es sind all die vielen Farben der Gewürze, der Wüste und des Meeres, die sich schon in meine nächsten Bilder einbringen. Als kleines Dankeschön für die Einladung nach Essaouira haben eine Kollegin und ich mit dortigen Kindern riesige Wandflächen in ihren Schulen bemalt.
Blau – es gibt so viele Möglichkeiten, mit dieser Farbe zu spielen, sie zu nutzen für den eigenen Ausdruck, oft ist das kulturell mitgeprägt. Ein großes Highlight war für mich zum Beispiel der Kulturaustausch mit Taipeh, mit zwei Ausstellungen, in denen ich meine Bilder vorstellen durfte. 2004 ging es dann nach Schottland. Dort bekam ich eine Einzelausstellung in der Patriothall Gallery in Edinburgh (Edinburgh-Munich partnership) und organisierte 2007 eine Gemeinschaftsausstellung mit Gegeneinladung nach München. Seither habe ich gute Freunde in Schottland. Bei Wanderungen auf Mull, Iona und Staffa konnte ich viele Eindrücke über die Hebriden in meinem Skizzenbuch festhalten. Es sind diese spontanen Eindrücke, die später im Atelier auf Leinwand oder Papier gebracht werden. Die Umsetzung erfolgt in übereinandergelegten Farb-Schichtungen, in die ich oft mit Bleistift und Tusche Strukturen einarbeite. Die Farbe setze ich kraftvoll, um auch den Augenblick aus der Vielzahl der Eindrücke festzuhalten.
Blau – das hat auch übertragende Bedeutungen. So kann ich natürlich nicht nur „ins Blaue“ hinein leben, also habe ich zusätzlich zu meinen Malkursen im eigenen Atelier auch jährliche Fahrten mit meinen Schülern nach Venedig unternommen. Diese brachten mir nicht nur die Küche Italiens, sondern vor allem auch das Licht Tintorettos näher. Die Kunst war selbstverständlicher Teil meines Lebens. Mein Vater und mein Großvater waren Lüftlmaler. In Neubeuern am Inn erzählen noch heute viele Hauswände von der künstlerischen Kraft, die meine Familie prägt. Für mich ist bis heute der künstlerische Austausch wertvoll. Und so fühle ich mich nicht nur auf meinen Malreisen, sondern auch in meinem Atelier in der Künstlergemeinschaft Reismühle sehr wohl.
Warum male ich? Fragen Sie den Vogel warum er singt!
Ihre
Iris Schilcher
(Quelle: CULT Ausgabe Mai 2015)